Kirche im Mentoring
Frauen steigen auf
Ein Jahr voller Bestärkung unter Frauen
„Wir wären als Kirche verrückt, wenn wir auf die Begabung von Frauen verzichten würden!“, mit diesen Worten hat Kardinal Reinhard Marx die Abschlussveranstaltung der ersten Mentoring-Gruppe 2017 in München unterstrichen. Der Hildegardisverein hat bundesweit in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bischofskonferenz und den deutschen (Erz-)Bistümern ein Programm ins Leben gerufen, mit dem genau diese Begabungen auch in die Führungsebenen von Kirche eingebracht werden sollen. Doch wie sieht das genau aus? Ich war dabei.
Eher zufällig bin ich Anfang 2022 auf Kirche im Mentoring aufmerksam geworden. Als frisch gewähltes Vorstandsmitglied in der damals neu gegründeten Berufsgruppe bilden · begleiten · befähigen hatte ich immer wieder mit der Personalentwicklung zu tun. Durch einen internen Stellenwechsel stand die Frage nach persönlicher Weiterentwicklung dann ganz konkret im Raum und dadurch bin ich über die Ausschreibung zum Mentoringprogramm „gestolpert“.
Wie auch bei vielen anderen Förderprogrammen muss man sich für „Kirche im Mentoring“ bewerben: mit einem Motivationsschreiben und einem Lebenslauf. Beim Bewerbungsgespräch konnte ich dann auch noch meine Fragen loswerden. Ich hatte ein gutes Gefühl und richtig Lust auf das Programm, daher habe ich mich riesig gefreut, dass ich gemeinsam mit Lisa Vogg (Pastoralreferentin und Leiterin der Katholischen Jugendstelle Augsburg) ausgewählt wurde und mich auf das Jahr im Mentoring-Programm einlassen durfte.
Kirche im Mentoring baut auf drei Säulen.
Die erste Säule bilden die Tandemgespräche: die Kandidatinnen werden ein Jahr lang von einer erfahrenen Führungsperson begleitet. Meine Mentorin war Professorin Dr. Kerstin Schlögl-Flierl, Inhaberin des Lehrstuhls für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg und Mitglied des Deutschen Ethikrates. In angenehmer Atmosphäre – oft am Ufer des Uni-Sees auf dem Campus – haben wir über meine Fragestellungen und Probleme diskutiert. Sie hat mir oft ganz neue Perspektiven eröffnet und mich darin bestärkt zu meiner Meinung und meinen Fähigkeiten zu stehen und auch Neues auszuprobieren. Ich hätte mir auch einen männlichen Mentor aussuchen können, wollte aber unbedingt eine weibliche Mentorin haben – und zwar eine mit Kindern. Zum einen, weil es mich interessiert, wie Karriere und Familie gut miteinander funktionieren können, zum anderen, weil ich mich vor allem als junge Frau im kirchlichen Rahmen oft nicht ernst genommen fühle und die Erfahrungen von einer Frau hören wollte, die als Expertin auch von Bischof und Co immer wieder zurate gezogen wird.
Die zweite Säule bilden die Seminare. An jeweils drei Tagen finden das Anfangs-, Halbzeit-, und Abschlussseminar statt, wo alle Mentees und teilweise auch alle Mentor:innen zusammen kommen. Programmpunkte bei den Seminaren sind vor allem Austausch und fachlicher Input, beispielsweise zu den Themen Macht, Sichtbarkeit, Strategie und Auftreten. Ein großes Highlight war für viele das meditative Bogenschießen beim Abschlussseminar. Ebenfalls beim letzten Seminar fand die Projektvorstellung statt: alle sollten in einem eigens initiierten Projekt Führungserfahrung sammeln und die Erkenntnisse daraus vorstellen.
Die dritte Säule bilden die Intervisionsgruppentreffen, die zwischen den Seminaren selbstorganisiert stattfanden. Wir Augsburgerinnen waren mit den Münchnerinnen, einer Paderbornerin und einer Freiburgerin in der Gruppe und haben uns zu den Themen Networking und Entscheidungen treffen Input geholt und ausgetauscht. Lisa und ich haben im ganzen Programm wunderbare Frauen kennengelernt – in unterschiedlichen Bistümern, auf unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlichen Lebenssituationen. Der Austausch und die gegenseitige Bestärkung waren wirklich ein Geschenk!
(Warum) brauchen Frauen ein Förderprogramm?
Sind wir nicht längst über den Punkt hinweg emanzipiert? Die Antwort lautet leider NEIN. So oft muss ich an ein Gespräch mit einem männlichen Kollegen meines Alters denken: Ich hab ihn gefragt, ob seine Aussagen je hinterfragt wurden und er hat nur lachend geantwortet: „Nein. Aber ich hab ja auch nen Bart.“ In einer Welt, in der immer noch so viele Schlüsselpositionen von Männern besetzt werden, ist es unendlich wichtig, dass Frauen sichtbar werden. Die katholische Kirche mit ihren oft zwangsweise männlich besetzten Machtpositionen stellt da sicher keine Ausnahme dar. In meiner Arbeit in der Prävention sexualisierter Gewalt bekam ich einmal zu hören: „Klar, dass Sie sich schwertun. Sie sind eine Frau, Sie sind jung und Sie kommen mit einem miesen Thema“; der Bischof selbst hat mich mal begrüßt mit den Worten „sind Sie die Sekretärin…?“, als ich mit meinem Chef als Gastrednerin bei der Dekanekonferenz war (beim Mentoring-Treffen mit dem Bischof haben wir darüber gelacht). Eine Kollegin vom Mentoringprogramm hat erzählt, dass man zu ihr gesagt habe, dass sie ohne einen Doktortitel als Frau keine Chance auf eine Führungsposition hat. Das alles klingt erstmal vielleicht lustig – ist es aber nicht. Es ist herabwürdigend, aber leider immer noch so normal, dass wir uns oft einfach damit zufriedengeben. Dazu kommt, dass Frauen spätestens, wenn ein Baby auf dem Weg ist, sich Fragen stellen müssen, mit denen sich Männer nie konfrontiert sehen.
Mein Herz klopft wie wild, während ich das schreibe. Die Kirche wäre wirklich verrückt, wenn sie auf die Begabungen von Frauen verzichten würde. Manchmal frage ich mich aber, ob sie mutig genug ist, sich auf diese starken Frauen, die sich tagtäglich für sie einsetzen, wirklich ernsthaft einzulassen.

Marina König mit Mentorin Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl (Moraltheologie)
Marina König ist Fachreferentin im Bereich Kommunikation, Pädagogik, Gesundheit und Persönlichkeitsbildung. Sie leitet das Team "Institutionelle Schutzkonzepte" als Präventionsfachkraft und arbeitet in der Abteilung Fortbildung.